Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in seinem Kurzbericht (5/2023) die Zahlen zur Arbeitszeitentwicklung im Jahr 2022 sowie aktualisierte Prognosen für das laufende Jahr veröffentlicht.
Die Folgen des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine und die darauffolgende Energiekrise und Inflationsentwicklung haben sich nach Angaben des IAB dämpfend auf die Arbeitszeitentwicklung in Deutschland ausgewirkt. Zudem stelle der Fach- und Arbeitskräftemangel zunehmend ein Problem für viele Betriebe dar. So sank die durchschnittliche Jahresarbeitszeit (inkl. Nebenjobs) pro Beschäftigten im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr leicht um 0,2 Stunden auf insgesamt 1.295,2 Stunden. Im Jahr 2023 rechnet das IAB mit einem leichten Plus von 0,5 % auf 1.302,2 Stunden. Damit werde die durchschnittliche Jahresarbeitszeit voraussichtlich auch dieses Jahr weiter unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie liegen (2019: 1.319,6 Stunden).
Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen, das Produkt aus der durchschnittlichen Arbeitszeit und der gesamten Erwerbstätigenzahl, lag 2022 mit 61,10 Mrd. Stunden weiterhin unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019 (62,12 Mrd. Stunden). Für dieses Jahr prognostizieren die Experten einen Anstieg von 1,2 % auf ein Gesamtvolumen von 61,83 Mrd. Stunden, womit das Arbeitszeitvolumen vor der Corona-Pandemie ebenfalls noch nicht erreicht sein werde.
Einzelne Arbeitszeitkomponenten im Überblick:
Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten lag im Jahr 2022 unverändert auf dem niedrigen Niveau von insgesamt 30,4 Stunden. Laut IAB-Prognose werde sich dieser Wert für das Jahr nun weiter reduzieren auf insgesamt 30,3 Stunden pro Woche. Dabei lag die durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jahr 2022 stabil bei 38,2 Stunden und werde sich auch in diesem Jahr nicht verändern. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten werde voraussichtlich von 18,1 Stunden (2022) auf 17,9 Stunden (2023) sinken. Gleichzeit verzeichnet das IAB einen viermal stärkeren Anstieg der Teilzeitbeschäftigten (+ 2,1 %) im Vergleich zu den Vollzeitbeschäftigten (+ 0,48 %). Damit werde sich die Teilzeitquote von 38,7 % (2022) auf 38,9 % in diesem Jahr erhöhen.
Die Anzahl der Überstunden habe sich laut IAB ebenfalls verringert. So lagen die bezahlten Überstunden pro Beschäftigten pro Jahr bereits 2022 mit insgesamt 14,0 Stunden eine halbe Stunde unter dem Vorjahresniveau. Im Jahr 2023 werden sich diese voraussichtlich nochmal um durchschnittlich 0,7 Stunden auf insgesamt 13,3 Stunden reduzieren. Die sogenannten unbezahlten Überstunden sanken im Jahr 2022 um 0,5 Stunden auf ein Niveau von 16,9 Stunden pro Jahr und Beschäftigten. Im Jahr 2023 werden diese voraussichtlich um eine weitere Stunde auf insgesamt 15,9 Stunden sinken. Damit ist die Zahl der bezahlten und "unbezahlten" Überstunden so niedrig wie noch nie. Die Experten führen den erneuten Rückgang auf die schwächere Auslastung der Betriebe zurück. Beim Ausweis der unbezahlten Überstunden ist zu beachten, dass hierzu auch Überstunden zählen, die zwar nicht separat vergütet, aber z.B. arbeitsvertraglich durch ein entsprechendes Jahresgehalt abgegolten werden. Dies ist beispielweise vielfach bei Führungskräften der Fall. Überstunden, die auf Arbeitszeitkonten gebucht werden, sind in den Zahlen der „Überstunden“ nicht enthalten. Sie werden durch die Veränderungen der Salden der Arbeitszeitkonten erfasst.
Die Saldenveränderung der Arbeitszeitkonten lag 2022 bedingt durch die Folgen der Corona-Pandemie bei - 1,5 Stunden gegenüber dem Vorjahr. Ab dem zweiten Halbjahr 2023 werden die Arbeitszeitkonten laut IAB wieder gefüllt, im Jahresdurchschnitt sollen die Konten dann voraussichtlich um 0,4 Stunden steigen.
Die Auswirkungen der Energiepreiskrise sowie die nach wie vor anhaltenden Liefer- und Materialengpässe haben die Kurzarbeit laut IAB zuletzt wieder leicht ansteigen lassen. Im Vergleich zum Jahr 2021 (1.85 Mio.) sei die Anzahl der Kurzarbeitenden im Jahr 2022 aber stark zurückgegangen (429.000). Für dieses Jahr prognostizieren die Wissenschaftler einen erneuten Rückgang auf 231.000 Kurzarbeitende. Diese Entwicklung zeigt sich auch in den Zahlen zum Ausfallvolumen der Arbeitsstunden. Während im Jahr 2022 rund 223 Mio. Stunden aufgrund von Kurzarbeit ausfielen, rechnen die Wissenschaftler im laufenden Jahr mit einem Ausfallvolumen von 125 Mio. Stunden.
Die Urlaubs- und sonstigen Freistellungstage werden laut Prognose des IAB im Jahr 2023 mit durchschnittlich 31,3 Tagen noch leicht über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie liegen (2019: 31,0 Tage). Das liege unter anderem daran, dass in den „sonstigen Freistellungstage“ bspw. auch Kinderkrankentage enthalten seien, die aufgrund der verlängerten Regelung zu den erweiterten Anspruchstagen auch dieses Jahr höher ausfallen dürften als vor der Pandemie. Der tarifliche Regelurlaub bleibe mit einem Durchschnitt von 29,6 Tagen voraussichtlich auch im Jahr 2023 auf dem Niveau der Vorjahre.
Das IAB rechnet im laufenden Jahr mit einem etwas niedrigeren Krankenstand als im Jahr 2022, in dem dieser durch die starke Zunahme von Atemwegsinfekten und Erkältungskrankheiten sehr hoch ausfiel. Laut Prognose werde sich der Krankenstand 2023 um 1,9 Tage auf durchschnittlich 13,1 Tage pro Arbeitnehmer reduzieren, damit jedoch immer noch über dem Vor-Pandemie-Niveau (2019: 10,9 Tage) liegen.
Bewertung der BDA:
Die Auswertung des IAB zeigt deutlich, dass der Arbeitszeitumfang immer noch unter dem Vorkrisenniveau liegt. Hinzu kommt die ohnehin schon niedrige durchschnittliche Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten von 30,3 Stunden. In einem Umfeld größter Arbeitskräfteknappheit sind daher Forderungen, wie z.B. die Einführung einer 4-Tage-Woche oder auch der Partnerfreistellung das falsche Signal.
Dass sich die Wirtschaft bislang trotz der vielfältigen Krisen auf einem stabilen Niveau halten konnte, liegt nicht zuletzt auch an tarifvertraglich vereinbarter Flexibilität für die Betriebe sowie Instrumenten wie den Arbeitszeitkonten und der Kurzarbeit. Um in Zukunft Arbeitsleistung noch besser gestaltbar zu machen und sowohl innerbetriebliche Spitzen als auch persönliche Umstände bedarfsgerecht und flexibel berücksichtigen zu können, bedarf es einer Modernisierung des Arbeitszeitgesetzes. Die Umstellung der täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit würde eine flexiblere Einteilung der Arbeitszeit über die Woche ermöglichen und somit Beschäftigten und Arbeitgebern gleichermaßen zugutekommen.
Quelle: SPA