Tarifpolitischer Bericht des IW für das 2. Halbjahr 2022

Das Konfliktbarometer des Instituts der deutschen Wirtschaft ermittelt für das gesamte Jahr 2022 im Durchschnitt von 26 untersuchten Tarifkonflikten in 15 Branchen eine Konfliktintensität von 5,3 Punkten, eine maximale Eskalationsstufe von 1,9 und eine Verhandlungsdauer von 3,3 Monaten. Damit verliefen die Tarifverhandlungen deutlich harmonischer als im Jahr 2021. Damals lag die Konfliktintensität mit 11 Punkten je Tarifverhandlung mehr als doppelt so hoch. Die maximale Eskalationsstufe betrug 3,0. Im langjährigen Durchschnitt (2010 bis 2021) lagen die Vergleichswerte bei 8,7 Punkten für die Konfliktintensität, bei 2,4 für die maximale Eskalationsstufe und bei 4,5 Monaten für die Verhandlungsdauer. Die Konfliktintensität gibt an, in welchem Umfang verbale Eskalationsformen (wie Streikdrohungen) und materielle Konflikthandlungen (wie Warnstreiks, Aussperrungen und Streiks) in einem Tarifkonflikt genutzt wurden. Die maximale Eskalationsstufe beschreibt, bis zu welcher Eskalationsstufe sich ein Tarifkonflikt auf einer Skala von 0 bis 7 zuspitzt und die Verhandlungsdauer, über welchen Zeitraum hinweg verhandelt wurde.

Allerdings verbergen sich hinter diesem Durchschnittswert große Branchenunterschiede. Während die Tarifparteien in einigen Branchen wie der Chemischen Industrie, der Papiererzeugenden Industrie und den Universitätskliniken (Ärzte), konfliktfrei zum Kompromiss kamen, eskalierten im Flugsektor zwei Konflikte mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit bis hin zum Arbeitskampf. Am konfliktreichsten ging es beim Cockpit von Eurowings zu. Hier fielen insgesamt 30 Konfliktpunkte an, dicht gefolgt von den Banken mit 29 Punkten bei den öffentlichen und 28 Punkten bei den privaten Banken. Auf Platz vier folgt das Cockpit der Lufthansa mit 19 Punkten, Platz 5 teilen sich die Eisen- und Stahlindustrie sowie die Metall- und Elektro-Industrie mit jeweils 16 Punkten.

Bislang hat sich die Tarifpolitik trotz der hohen Inflation überaus stabilitätskonform gezeigt. Die Tariflohndynamik zieht zwar aktuell leicht an, bleibt aber noch im stabilitätspolitischen Rahmen. Dadurch werden Konflikte mit der Europäischen Zentralbank vermieden, an deren Ende eine Stabilisierungsrezession stehen würde. Im Jahr 2023 stehen für fast 11 Millionen Beschäftigte neue Tarifverhandlungen an. Den Auftakt macht unter anderem der Öffentliche Dienst von Bund und Kommunen, wo die Gewerkschaften 10,5 Prozent mehr Geld fordern, mindestens aber monatlich 500 Euro, was effektiv auf 15 Prozent mehr Geld hinausläuft. Sollten sich die Gewerkschaften mit ihren hohen Forderungen, die weit über die Inflationsrate hinausgehen, durchsetzen, droht 2023 eine Lohn-Preis-Spirale. Es ist zu hoffen, dass die im Rahmen der sogenannten Konzertierten Aktion gegen den Preisdruck von der Bundesregierung angebotenen steuerfreien Einmalzahlungen von den Tarifparteien genutzt werden und die Akteure einer Lohn-Preis-Spirale konzertiert entgegenwirken.

 

Quelle: SPA

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