Das Gesetz zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie, das am 01.08.2022 in Kraft getreten ist, wirkt sich u. a. auch auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz aus. Das gilt auch für die Einfügung eines neuen § 15 Abs. 3 TzBfG betreffend die Probezeitvereinbarung bei befristeten Arbeitsverträgen.
Nach dem neuen § 15 Abs. 3 TzBfG muss eine vereinbarte Probezeit ab dem 01.08.2022 „im Verhältnis“ zu der Dauer der Befristung des Arbeitsverhältnisses und der Art der Tätigkeit stehen. Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Verhältnismäßigkeit ist damit zum einen die Dauer der Befristung und zum anderen die Art der Tätigkeit. Gesetz und Gesetzesbegründung enthalten hierzu allerdings keinerlei Vorgaben oder Maßstäbe. Die Rechtsprechung wird dies konkretisieren müssen.
Die in § 622 Abs. 3 BGB (Probezeitkündigungsfrist) geregelte Dauer der Probezeit, längstens für die Dauer von sechs Monaten, kann daher nicht mehr pauschal in Ansatz gebracht werden. Es besteht die Gefahr der Unverhältnismäßigkeit und damit der Unwirksamkeit.
Verhältnismäßigkeit gem. der Dauer der Befristung:
Mangels gesetzlicher Vorgaben und fehlender Rechtsprechung kann gegenwärtig für das Verhältnis der Dauer der Probezeit zur Dauer der Befristung nur eine Einschätzung gegeben werden, die sich an den Erwägungsgründen der EU-Richtlinie orientiert. Der danach maßgebliche Richtwert, der allerdings weder in die Erwägungsgründe noch in den Normtext aufgenommen worden ist, beläuft sich auf ein Viertel der Laufzeit als Richtwert bis zu einer Befristung von 12 Monaten.
Da sich bei einer Quotelung auf ein Viertel aber letztlich bei relativ kurzen Befristungen nicht mehr in Monaten zu berechnende Probezeiten ergäben, scheint die Quotelung von ein Drittel sachgerecht.
Danach gilt Folgendes:
Dauer der Befristung | Länge der Probezeit (bei 1/3-Ansatz) |
3 Monate | 1 Monat |
6 Monate | 2 Monate |
9 Monate | 3 Monate |
12 Monate (und mehr) | 4 Monate |
Verhältnismäßigkeit gem. der Art der Tätigkeit
Zu diesem für die Ermittlung der Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Kriterium (Tätigkeit) lassen sich keinerlei Vorgaben finden. Aus der EU-Richtlinie lässt sich lediglich folgern, dass eine einfache Tätigkeit mit wenig Verantwortung eine kürzere Probezeitfrist rechtfertigen soll. Was in diesem Sinne allerdings „einfach“ ist, bleibt offen.
Hinweis
Als grobe Richtlinie lässt sich lediglich festhalten, dass die Probezeit kürzer zu bemessen ist, wenn die Arbeit „einfach ist und mit einem niedrigen Verantwortungslevel“ einhergeht.
Folgen einer unverhältnismäßigen Probezeit
Eine im o. g. Sinne unverhältnismäßige Probezeit hat die Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung zur Folge. Die verkürzte Probezeitkündigungsfrist (zwei Wochen) gem. § 622 Abs. 3 BGB gilt in diesem Fall nicht.
Die für das Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes maßgebliche Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG („Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist“) wird hierdurch allerdings nicht berührt.
Zu beachten ist darüber hinaus § 15 Abs. 4 TzBfG. Danach unterliegt ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Eine infolge Unverhältnismäßigkeit unwirksame Probezeitvereinbarung kann zum „Ausschluss“ der ordentlichen Kündigung des befristeten Arbeitsverhältnisses führen. Das gilt zumindest dann, wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung nicht gesondert oder nicht eindeutig unabhängig von der Probezeitkündigung vereinbart ist.
Hinweis
Das bedeutet, dass mit Blick auf eine etwaige Unverhältnismäßigkeit der Probezeit im Vertragstext deutlich zwischen der Probezeitkündigung und der ordentlichen Kündbarkeit i. S. d. § 15 Abs. 4 TzBfG unterschieden werden sollte.
Zudem sollte in einer gesonderten Regelung klargestellt werden, welche Frist für eine ordentliche Kündigung im Falle der Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung (aufgrund Unverhältnismäßigkeit) gilt.
Die Entwicklung der Rechtsprechung zu der neuen Bestimmung bleibt abzuwarten. „Vertragsmuster“ müssen ggf. künftig angepasst werden.