Bei erlaubter Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts darf eine verdachtsunabhängige Überprüfung durch den Arbeitgeber in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr muss dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden soll. Es muss ihm Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolgt. (amtlicher Leitsatz)
Sachverhalt
Bevor sie das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte, wertete die Beklagte einen Teil der E-Mail- und Messenger-Nachrichten des Klägers aus, die auf einem Smartphone gespeichert waren, das sie dem Kläger zur Verfügung gestellt hatte. Eine Vielzahl dieser Nachrichten, darunter solche an Verwandte und Freunde des Klägers, trug die Beklagte im gerichtlichen Verfahren vor, um die Kündigung zu be-gründen. Das ArbG stellte die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1I DSGVO.
Entscheidung
Das LAG hat das Urteil des ArbG im Wesentlichen bestätigt. Das ArbG habe zu Recht festgestellt, dass auf Grund eines umfassenden Sachvortragsverwertungsverbots ein Kündigungsgrund nicht vorliege. Weder die von der Beklagten zur Begründung der Kündigung vorgelegten E-Mails noch die vorgelegten Messenger-Nachrichten seien prozessual verwertbar. Das Verwertungsverbot ergebe sich aus der Un-zulässigkeit der Datenverarbeitung. Sei die fragliche Maßnahme nach den Bestimmungen des BDSG nicht erlaubt, folge hieraus regelmäßig ein Verwertungsverbot. Dabei spiele die Frage nach der Zuläs-sigkeit einer erfolgten Privatnutzung eine wichtige Rolle (Rn. 118 ff). Der Kläger, der seinen dienstlichen E-Mail-Account auch privat genutzt hat, habe berechtigterweise eine Erlaubnis zur privaten Nutzung annehmen dürfen. In der Literatur sei umstritten, welcher Grundsatz gelte, wenn eine klare Regelung hinsichtlich der Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts nicht besteht, wobei die wohl herr-schende Auffassung von einem Verbot der Privatnutzung bei Fehlen einer ausdrücklichen Erlaubnis ausgehe (Rn. 135). Gegen die Annahme eines pauschalen Verbots bei Nichtregelung der Privatnutzung durch den Arbeitgeber könne nach Ansicht der Kammer sprechen, dass die Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts im Arbeitsleben heutzutage kein Ausnahmefall mehr sei, sondern durchaus üblich. Auch könne die von der Gegenansicht gezogene Parallele zur sonstigen Unternehmenspost nur bedingt überzeugen. Gerade in Bereichen, wie dem Vertrieb, in dem es auf den Aufbau von persönlichen Kontakten zu Kunden ankomme, würden neben geschäftlichen Informationen oftmals auch persönliche Informationen in E-Mails integriert, die im vordigitalen Zeitalter per Geschäftsbrief nicht gleichermaßen mit Kunden schriftlich ausgetauscht worden wären. Gleiches gelte bei E-Mail-Verkehr zwischen Kollegen, in dem neben dienstlichen Inhalten regelmäßig auch private Dinge ausgetauscht würden, die zu Zeiten „traditioneller“ Kommunikation überhaupt nicht schriftlich kommuniziert wor-den wären. Es spreche demnach einiges dafür, dass ein Arbeitgeber, der mit der Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Account nicht einverstanden ist, dieses übliche Nutzungsverhalten auch ausdrück-lich verbieten müsse (Rn. 137). Im vorliegenden Fall sei von einer einvernehmlichen Mischnutzung für private und dienstliche Belange auszugehen, da die Parteien sich einig waren, dass der Kläger seine zuvor ausschließlich privat genutzte SIM-Karte und Mobilfunknummer fortan auch dienstlich genutzt hat. Die Rückgabe des Smartphones an die Beklagte durch den Kläger stelle keine Einwilligung in die Datenauswertung dar, da ihr kein Erklärungswert zukomme und auch das Formerfordernis des §
26 Abs. 2 Satz 3 BDSG nicht gewahrt sei (Rn. 146 ff.). Auf Grund des Verstoßes gegen § 26 BDSG habe der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung nach § 82 Abs. 1 DSGVO. Ein immaterieller Schaden sei gegeben, da sehr persönliche Daten des Klägers von der Beklagten über einen erheblichen Zeitraum ausgewertet und anschließend im Arbeitsgerichtsprozess eingebracht worden seien (Rn. 214); der bloße „Ärger“ über den Kontrollverlust an den Daten und das schiere „Unmutsgefühl“ wegen der Nichtbeachtung des Rechts durch einen anderen, seien allerdings allein insoweit nicht ausreichend. Bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches nach § 287 Abs. 1 ZPO spiele das Kriterium der Lohnhöhe keine Rolle (Rn. 217). Es müsse aber die Relation zu Schmerzensgeldern betreffend die Verletzung der körperlichen Integrität im Blick behalten werden (Rn. 219) und deshalb sei ein Betrag in Höhe von EUR 3.000,00 unter Abwägung aller Umstände ausreichend (Rn. 224).
Praxishinweis
Das Urteil stellt eine instruktive Einzelfallentscheidung zu den Rechtsgrundsätzen eines Sachvortragsverwertungsverbots und zur Höhe der Entschädigung gemäß Art. 82 DSGVO dar. Es illustriert anschaulich die Grenzen (un-)zulässiger Auswertung von auch privat genutzten dienstlichen E-Mail- und Messenger-Accounts.
Quelle: VBF Nord