Die Normenreihe DIN 1045 wurde in den zurückliegenden Jahren vollständig überarbeitet und vom DIN mit Ausgabestand 2023-08 veröffentlicht.
Am 28.08.2024 wurde nun vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) mit Veröffentlichung der neuen Muster-Verwaltungsvorschrift Technischen Baubestimmungen 2024/1 (MVV TB 2024/1) die Grundlage für die bauaufsichtliche Einführung der neuen Normenreihe in den einzelnen Bundesländern geschaffen.
Alle Bundesländer haben zwar eine möglichst zeitnahe Umsetzung der MVV TB 2024/1 zugesagt, einen einheitlichen Stichtag wird es jedoch nicht geben. So gibt es im Landesrecht von Bremen und Mecklenburg-Vorpommern einen dynamischen Verweis, der stets die aktuelle MVV TB Bezug nimmt. Streng genommen haben diese beiden Länder die neue DIN 1045-Reihe also bereits mit dem 28.08.2024 bauaufsichtlich eingeführt. In Brandenburg erfolgt die Einführung in der Regel drei Monate nach Veröffentlichung einer neuen MVV TB (28.11.2024), in NRW sechs Monaten danach (28.02.2025) und in Sachsen mit Beginn des siebten Monats (01.03.2025). Alle anderen Länder müssen noch individuell darüber beschließen.
Die bauaufsichtliche Einführung der DIN 1045-Reihe umfasst die Teile -1, -2, -3, -4, -40 und -1000, letzterer ausdrücklich ohne die Kommunikationskonzepte. Der Teil 41 wird aus formalen Gründen nicht bauaufsichtlich eingeführt. Dieser enthält Anforderungen für die Verwendung von konstruktiven Betonfertigteilen in bauaufsichtlich relevanten Bauwerken und ersetzt die bisherigen verbandlichen Anforderungsdokumente. Ähnlich den Kommunikationskonzepten im Teil 1000 dient er einem standardisierten Informationsaustausch zwischen dem Betonhersteller und dem Verwender der Betonfertigteile und soll als Grundlage für eine privatrechtliche Zertifizierung herangezogen werden.
Mit der bauaufsichtlichen Einführung in dem jeweiligen Bundesland sind die neuen Normen der DIN 1045-Reihe grundsätzlich für die Planung und Ausführung von Betonbauwerken anzuwenden. Es fehlen allerdings bislang Regelungen für die Übergangszeit. Es gibt also keine klaren Vorgaben, ob für Bauwerke die nach alten Normen geplant und genehmigt wurden, bei der Bauausführung auf die neuen Normen umgeschwenkt werden kann oder muss oder ob diese Bauwerke noch nach altem Normenstand ausgeführt werden müssen.
Bei der Herstellung von Betonbauteilen nach harmonisierten Normen ist auch zu beachten, dass diese noch (verbindlich) auf die alte Normengeneration verweisen und nicht auf die neue. In dieser Übergangsphase gibt es also sich widersprechende Regelungen und Anforderungen, die eine in jeder Hinsicht formal korrekte Herstellung und Verwendung von bauaufsichtlich geregelten Betonfertigteilen weitgehend unmöglich machen.
Diese Situation ist in höchstem Maße unbefriedigend. Trotz frühzeitiger Hinweise aus den Verbänden haben die Bauminister der Länder oder das DIBt jedoch bislang keine Klarstellung vorgenommen. Dieses Problem betrifft nicht nur die Hersteller, sondern auch die Planer, Ausführenden und Bauherren, da sich die Widersprüche im Spannungsfeld zwischen europäischem Bauproduktenrecht, nationalem Vertragsrecht und dem Baurecht der Länder entlang der ganzen Wertschöpfungskette ergeben.
Aus technischer Sicht gibt es zwar in der neuen Normenreihe eine ganze Reihe von Änderungen, die insgesamt aber nicht zu einem signifikant anderen Sicherheitsniveau der Betonbauteile führen, so dass von einer Gleichwertigkeit in Bezug auf die Schutzziele der Landesbauordnungen ausgegangen werden kann.
Für Betonfertigteile nach harmonisierten Normen sowie nach DIN 1045-4 empfehlen wir daher in der bevorstehenden Übergangszeit, dass Sie ihre Auftraggeber über die Veränderungen in der Normung hinweisen und vertraglich vereinbaren, nach welchem Normenstand sie die Betonfertigteile herstellen bzw. hergestellt haben.
Eine parallele Herstellung von Betonfertigteilen nach alter und neuer Norm in einem Werk ist zwar prinzipiell möglich, jedoch aufwendig, da die Produktion, die werkseigene Produktionskontrolle sowie die Fremdüberwachung jeweils separat auf die beiden Normengenerationen abzustimmen ist. Daher erscheint es nach derzeitigem Stand sinnvoller, die Produktion zu einem Stichtag von der alten auf die neue Normengeneration umzustellen. Idealerweise planen Sie den Übergang so, dass Sie bei zukünftigen Vertragsabschlüssen verbindlich vereinbaren können, nach welcher Normengeneration die Herstellung der Betonfertigteile in Ihrem Werk erfolgt. In Fällen, in denen das nicht möglich ist, werden pragmatische Vorgehensweisen, möglichst im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Auftraggeber, erforderlich sein.
Auch neben den konstruktiven Betonfertigteilen wird in einigen Produktnormen auf Teile der DIN 1045-Reihe verwiesen, z. B. auf die Normung des Betons in DIN 1045-2. Auch hier stellt sich die Frage, wann und wie ein Übergang zur neuen Normengeneration erfolgen sollte.
Die alte DIN 1045-2:2008-08 wurde in den zurückliegenden 16 Jahren in ca. 350 weiteren Verordnungen, Normen, Richtlinien, Merkblättern etc. in Bezug genommen. Selbstverständlich können diese Dokumente nicht alle kurzfristig aktualisiert werden. Insbesondere wenn auf einzelne Abschnitte der alten DIN 1045-2 verwiesen wurde, die in der neuen Fassung vielleicht andere oder veränderte Inhalte haben, ist eine pauschale Aussage zur Anwendbarkeit der neuen Norm nicht möglich. Es ist also jeweils der Einzelfall zu betrachten.
Exemplarisch wird für den Bereich der Rohre nach DIN EN 1916 und DIN V 1201, der Schächte nach DIN EN 1917 und DIN (V) 4043-1 sowie des Betonwerkstein nach DIN 18500-1 nachfolgend eine Bewertung der Situation vorgenommen:
Die europäische DIN EN 1916 nimmt keinen Bezug auf die europäische Bemessungsnorm EN 1992-1-1 und die europäische Betonnorm EN 206. Von europäischer Seite steht einer Nutzung der neuen Normengeneration also nichts im Wege. Die nationale DIN V 1201 verweist an verschiedenen Stellen auf die alte Normenreihe DIN 1045 (Teile 1 bis 4) und die alte DIN EN 206-1 mit dem Ausgabestand 2001. Dabei sind fast alle Verweise undatiert, d. h. es gilt hier jeweils die neuste Ausgabe der zitierten Norm. In einem Fall ist auf einen konkreten Absatz der DIN 1045-2 aus formalen Gründen datiert verwiesen. In der neuen DIN 1045-2 finden sich entsprechende Angaben, sogar bis in die zweite Kapitelebene an ähnlicher Stelle. Zudem ist die in Bezug genommenen DIN 1045-2:2001-07 bereits im Jahr 2008 durch eine neuere Ausgabe ersetzt worden und diese neuere Ausgabe ist in den zurückliegenden 16 Jahren in der Praxis auch bereits verwendet worden, unabhängig von dem datierten Verweis. Eine erneute stillschweigende Aktualisierung des Verweises durch den Anwender ändert also an der grundsätzlichen Situation nichts.
Aus bauordnungsrechtlicher Sicht ist eine Anwendung der neuen Normengeneration ab der bauaufsichtlichen Einführung naheliegend. Die MVV TB, Anlage B 2.2.6/2, verweist auf die DIN EN 1916 sowie auf weitere Eigenschaften, die nach DIN V 1201:2004-08 nachgewiesen werden können (das lässt gleichwertige alternative Nachweise zu, ohne dass es Anhaltspunkte dafür gibt, was gleichwertig ist). Da die DIN V 1201 einer Anwendung der neuen DIN 1045-2 wie zuvor ausgeführt nicht entgegensteht, die neue MVV TB ihrerseits für Beton aber die neue Normengeneration der DIN 1045-Reihe vorsieht, sollte das die Vorzugsvariante sein.
Für Schächte nach DIN EN 1917 und DIN (V) 4034-1 ist die Situation vergleichbar. Auch hier macht die europäische Norm keine einschränkenden Vorgaben und die in der MVV TB, Anlage B 2.2.6/3, zum Nachweis zusätzlicher Eigenschaften vorgeschlagenen DIN V 4034-1:2004-08 steht der neuen Normengeneration ebenfalls nicht im Wege. Hier sei jedoch darauf hingewiesen, dass es mittlerweile mit der DIN 4034-1:2020-04 (erneute Überarbeitung bereits abgeschlossen, neue Ausgabe in 2024/2025 erwartet) neue Normengenerationen gibt, die ebenfalls alternativ zur alten DIN V 4034-1:2004-08 als Nachweis der zusätzlichen Eigenschaften herangezogen werden können. Auch hier gibt es nur einen datierten Verweis auf die alte DIN 1045-2, der jedoch, wie bei den Rohren, inhaltlich auch durch die neue Normengeneration bedient wird.
Insofern kann für Rohre nach DIN EN 1916 und DIN V 1201 sowie für Schächte nach DIN EN 1917 und DIN (V) 4034-1 davon ausgegangen werden, dass eine Anwendung der neuen Normengeneration DIN 1045 nach bauaufsichtlicher Einführung erfolgen kann und sollte.
Beim Betonwerkstein nach DIN 18500-1:2022-10 wurde bereits auf die Kompatibilität zur neuen Normengeneration DIN 1045 geachtet, so dass auch hier eine Anwendung unmittelbar nach bauaufsichtlicher Einführung erfolgen kann/muss.
Und abschließend noch ein Hinweis zum neuen BBQ-Konzept:
Bei der Verwendung von Betonfertigteilen ist in der Regel nur die Festlegung einer von Betonklasse BK-N abweichenden Betonklasse (BK-E, in speziellen Fällen BK-S) vorzunehmen. Eine Planungsklasse kann optional angegeben werden, z. B. um einen besonderen Kommunikationsaufwand zwischen Planer und Fertigteilhersteller zu dokumentieren und dann später abzurechnen. Die Einstufung in eine Ausführungsklasse (AK-N/E/S) und Betonbauqualitätsklasse (BBQ-N/E/S) ist weder sinnvoll noch vorgesehen (vgl. DIN 1045-1, 4 (2)), da die damit bewerteten Schnittstellen aus dem Ortbetonbau zwischen Betonhersteller und Verarbeiter im Fertigteilwerk nicht relevant sind.
Daher sind auch die für den Ortbetonbau entwickelten Kommunikationskonzepte nach DIN 1045-1000 Anhang A.2 mit BBQ-Ausschreibungs- und -Ausführungsgesprächen für Betonfertigteile nicht relevant. Stattdessen kann für Betonfertigteile der Anhang A.3 angewendet werden. Dieser gibt themenbezogen Verantwortliche für den Kommunikationsprozess vor (Tabelle A.2). Die Tabelle orientiert sich dabei an üblichen Situationen beim Bauen mit konstruktiven Fertigteilen und kann/muss ggf. projektspezifisch angepasst werden. Da die Kommunikationsprozesse nach DIN 1045-1000 ausdrücklich nicht bauaufsichtlich eingeführt sind (siehe MVV TB 2024/1, Anlage A 1.2.3/1 (7)), sind sie nur dann verbindlich, wenn DIN 1045-1000 zwischen den Vertragspartnern vereinbart wird.
Quelle: Dr.-Ing. Jens Uwe Pott, Geschäftsführer VBF Nord e. V.